Die Hochschule Bremen (HSB) lebt von den Menschen, die hier studieren, arbeiten und sie als Gäste bereichern. In unserer Rubrik „Drei Fragen an…“ stellen wir einige von ihnen vor. Hier: Dr. Heike Tauerschmidt. Sie leitet seit fast 20 Jahren das International Office und ist seit 1999 an der HSB. Dementsprechend kennt Heike Tauerschmidt die Geschichte der Internationalisierung der HSB wie kaum jemand anderes. Ende Juni geht sie in den Ruhestand. Ein Rückblick und Ausblick.
Heike Tauerschmidt: Man kann diesen Zeitraum grob in zwei unterschiedliche Abschnitte teilen: die Zeit der Blüte und die Zeit des Umbruchs. Ich muss hier ein wenig weiter ausholen:
Bis etwa 2014/15 hatte die HSB auf Bundesebene eine herausragende Stellung auf Grund ihrer vielen internationalen Studiengänge und die damit verbundene überdurchschnittlich hohe Outgoing-Mobilität. Dies schließt auch die kontinuierliche (Weiter-) Entwicklung umfangreicher Maßnahmen ein, um den HSB-Studierenden und den internationalen Austauschstudierenden bestmöglichen Service und eine gute Betreuung zu bieten. Zudem wurde durch den Ausbau der dezentralen International Offices in allen Fakultäten die enge Zusammenarbeit mit dem zentralen International Office im „Team Internationales“ gefestigt. In dieser Zeit entwickelte sich auch die gute Vernetzung mit den anderen Hochschulen in Bremen sowie die UAS7 Allianz mit ihrem Verbindungsbüro in New York. UAS7 hat sich über die Jahre auch zu einer politisch relevanten Stimme in Deutschland entwickelt.
Besonders gut lässt sich die Blütezeit der HSB an der jährlichen Fördersumme ablesen, die sie vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) erhält: Diese konnte die HSB in der Zeit um eine Millionen Euro auf 1,45 Millionen Euro steigern – im Wesentlichen durch den starken Anstieg der Erasmus-Förderung und das erfolgreiche Einwerben von Projektmitteln.
Ja, sie ist dominiert vom Querschnittsthema Digitalisierung. Hinzu kam die Flüchtlings- und dann die Corona-Krise:
Ab etwa 2014 intensivierte das IO gemeinsam mit den dezentralen IOs die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse für Outgoing- und Incoming-Mobilitäten. Ein Highlight ist sicherlich der Online-Shop, über den die Zahlung der Semesterbeiträge für Incomings aus Drittstaaten abgewickelt wird und der dann auch auf einige Zahlungen von Studierenden des International Graduate Center (IGC) der HSB ausgeweitet werden konnte.Seit 2021 ist es bezüglich der Digitalisierung ernst geworden, weil im neuen Erasmus-Programmzeitraum der Vertrag explizit „Erasmus without Paper“ vorsieht und wir uns als HSB mit der Unterzeichnung verpflichtet haben, dies umzusetzen. Ein dickes Brett, das nicht allein vom IO gebohrt werden kann, sondern das die gesamte HSB erreicht. Zum Glück haben wir tatkräftige Unterstützung durch einen kompetenten Kollegen aus dem Konrektorat für Digitalisierung, Change Management und Diversity.
Es waren dann die besonderen Umstände der Corona-Krise, die die HSB schnell zum nächsten Entwicklungsschritt katapultiert haben: nämlich dass internationale Lehre auch virtuell funktionieren kann. Mit den UAS7-Partnern konnten wir eine Förderung für das Projekt „UAS7 Virtual Academy“ einwerben, das sich mit der Umsetzung von sogenannten Collaborative Online International Learning (COILs) befasste und dazu beitrug, dieses Thema in die HSB zu bringen.
Auch die Flüchtlingskrise wirkte sich auf die HSB aus, die sich schon früh der damaligen Initiative „In Touch“ der Universität Bremen anschloss. Gemeinsam boten wir Geflüchteten mit akademischem Interesse einen informellen Zugang zu den Hochschulen in Bremen an. Und daraus entwickelte sich an der HSB das bis heute erfolgreiche Café International – ein Veranstaltungsformat, um sich zu vernetzen und auszutauschen. Der DAAD reagierte schnell und rief die Förderprogramme „Welcome“ und „Integra“ ins Leben, die spezielle Betreuungsangebote und den formalen Zugang zum Studium ermöglichen sollten. Dies war der Auslöser für die gemeinsame Initiative der Universität Bremen und HSB, in Bremen ein Vorstudienprogramm mit eigener Zugangsprüfung zu den öffentlichen Bremischen Hochschulen zu entwickeln. Die damalige Wissenschaftssenatorin Prof. Dr. Eva Quante-Brandt unterstützte dieses Vorhaben von Beginn an. Das Ergebnis ist die Academy HERE AHEAD, in der seit 2019 auch Studieninteressierte aus Drittstaaten ohne direkte Hochschulzugangszulassung aufgenommen werden. Dies ist definitiv eine Erfolgsstory für das Land Bremen.
STARS EU kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, denn die Arbeit in diesem Netzwerk katapultiert die HSB in die erste Liga der Hochschulen in Europa. Die Hochschule Bremen ist eine von 500 Hochschulen europaweit – und eine von nur acht HAW in Deutschland, die sich mit dem Siegel „Europäische Hochschule“ schmücken dürfen. Das ist eine große Auszeichnung. Und dieser Status als „Mitglied einer Europäischen Hochschulallianz“ verbessert auch die Chancen bei der Einwerbung weiterer Drittmittelprojekte auf Bundes- und EU-Ebene in allen Bereichen.
STARS EU wirkt sich auch positiv auf die Hochschulentwicklung aus: Die HSB ist derzeit in einem Prozess zur Neujustierung ihrer strategischen Ausrichtung und muss in diesem Zuge auch ihre Internationalisierungsstrategie überarbeiten – Stichwort: „von der Mobilität zur internationalen Kompetenz“. Für die Studierenden bedeutet dies, dass sich ihre Möglichkeiten, internationale Kompetenzen zu erwerben, um ein Vielfaches erweitern, zum Beispiel durch virtuelle kollaborative Formate und Optionen für Kurzzeitmobilitäten durch STARS EU. Damit wird das internationale Studium inklusiver.
Ich bin zudem fest davon überzeugt, dass die Mitarbeit in STARS EU dem Wir-Gefühl an der HSB neuen Auftrieb geben wird. Alle HSBler, die sich aktuell bei STARS EU engagieren – immerhin schon fast 50 Professor:innen und Mitarbeitende – betonen immer wieder, wie wertvoll und inspirierend die Kooperation mit den acht europäischen Partnern ist und es ihre tägliche Arbeit bereichert. Es lohnt sich also sich einzubringen. Interessierte sind herzlich willkommen.
Ich wünsche der HSB, dass sie mit diesem Entwicklungsschritt wieder zu alter Stärke in der Internationalisierung zurückfindet und erneut ein Leuchtturm in Deutschland wird. Dies sind wirklich spannende Zeiten und der Abschied fällt mir durchaus schwer. Aber man soll ja bekanntlich gehen, wenn’s am schönsten ist. Es überwiegt in jedem Fall die Freude, meiner Familie und meinen Freund:innen mehr Zeit zu widmen und meine Hobbies ohne zeitliche Zwänge und Priorisierung ausleben zu können – gärtnern, kochen (gern mit der eigenen Ernte), reiten und die eine oder andere Idee in Sachen „home improvement“. Vielleicht kommt auch wieder ein Hund ins Haus. Mir wird auf jeden Fall nicht langweilig.